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Heiner Meyer: Pop Art Now © Studio Heiner Meyer

Rückblick

Heiner Meyer

Pop Art Now

06.08.2023 - 26.08.2023

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Gratis Eintritt

 

 

Die Lust durch das Bild immer wieder Rück- wie auch Zugriffe auf andere Bildformen und Sujets zu generieren, hat Heiner Meyer lange noch nicht verloren. Dass er sich dabei aus der trivialen Welt des Comics ebenso bedient wie der schillernden Welt des elitären Konsums ist hinlänglich bekannt. Stil-Ikonen der Gegenwart ebenso wie jene aus der Hollywood-Traumfabrik dominieren seine Bildpanoramen und lassen die Mechanismen der Werbung und des Werbens deutlich werden. Heiner Meyer trägt all dies nicht dezent und subtil, sondern vielmehr offenkundig und mit allen Tricks der Marketingstrategen vor. Nichts gleicht einem unbekümmerten, unreflektierten Nutzen körperlicher und werblicher Reize, sondern immer ist es der volle Einsatz, den seine Protagonisten einsetzen.

Die Körper (verkürzt auf die wesentlichen Objekte erotischer Ausstrahlung wie die langen Beine, vollen Lippen oder makellos geschminkten Allerweltsmodelgesichter) ebenso wie die Attribute des Luxuskonsums treffen jeweils nahtlos auf einander, erzeugen Beziehungsgeflechte, die einzig auf die appellativen Signale  an den (Bild-)Konsumenten gerichtet sind. Die Zitate aus der Werbung, einzig begründet auf das Vermarkten von Luxusgütern, kumulieren in ihrer Wirkung, indem sie alle Mechanismen gebündelt in sich vereinen. Nahtlos stehen sich Gestalt und Konsumartikel gegenüber – schweißen ein visuelles Bündnis, das jenes der Werbung noch zu übertrumpfen scheint. Im Gemälde entfaltet dies seine unverbrüchliche Wirkkraft, wenngleich ein wesentliches Element hinzukommt, das es so in der Werbung nicht gibt: Das der Ironie. Heiner Meyer nutzt bei seinen Bildkompositionen ein raffiniertes Spiel aus Bildzitaten und -verweisen, die gleichsam nahtlos ineinander überzugehen scheinen und sich dennoch den Regeln der klassischen Bildkomposition bedienen. Bildzitate wie auch neue Bildelemente verschmelzen zu einer neuen Einheit, aber oftmals so pointiert überspitzt, dass der Maler gleichsam im Zitierwillen diese Überflutung von Zitaten und Bildmechanismen übertrumpfend ironisiert.    

"Konsequenz und undogmatische Kompromisslosigkeit charakterisieren die Malerei Heiner Meyers ebenso wie die Prinzipien einer arte sull’arte, einer Kunst, deren primäres Thema die Kunst ist. Souverän legt er in seinen Arbeiten Zitate und Adaptionen der unterschiedlichsten Provenienzen in Schichten übereinander und demonstriert damit die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen. Skulpturen der griechischen Klassik, Porträts von Filmstars der 50er Jahre, Mickey Mouse und andere Comicfiguren, Schmetterlinge, Würfel sind immer wiederkehrende Versatzstücke der Bildersprache Meyers, die in immer neuen Konstellationen und Konfrontationen zitiert werden. (…) Aus dieser Distanz zu seiner Thematik gewinnt Meyer die absolute Freiheit seiner Malerei, in der Erhabenes neben Trivialem, Vergangenes neben Gegenwärtigem, Realistisches neben Abstrahiertem, Elitäres neben Populärem auftritt."1

Adaption und Zitation innerhalb der Kunst sind an sich nichts Neues, dies geschah zu allen Zeiten immer wieder und je souveräner ein Meister den anderen kopieren konnte, desto höher stand er in der Gunst seiner Sammler, die ihrerseits das Übertrumpfen der eigentlichen Bildideen in der geschickten Adaption schätzten. Dahinter steht jedoch ein bildnerisches Konzept, das einzig und allein als Collage funktionieren kann. Genauer gesagt, wird die einzelne Bildkomposition nicht in ihrer logischen Realität gedacht und interpretiert, sondern immer nur in ihrer Singularisierung von Einzelmotiven, die sich als kumulative Aneinanderreihung begreift. Der Bildraum wird zum Overkill für die einzelnen Objekte und verdeutlicht auf einer subtiler angelegten Ebene die Zerrissenheit der gegenwärtigen Seins.

Anders als die bisherigen glattpolierten Bildflächen, in denen die Wirklichkeit so greifbar nah erscheint und sich die Motive wie Perlen auf einer Schnur aneinanderreihen, fabuliert Heiner Meyer in seinen neueren Arbeiten nicht nur mit bekannten Comic-Figuren, wie der Mickey-Mouse, dem Detektiv-Duo Tim und Struppy oder dem einsamen Wild-Westreiter Lucky Luke, sondern setzt nun sehr malerische Akzente ein. Die Oberflächen wirken nicht mehr so unmittelbar wie in der Werbung, weisen nicht mehr diese faszinierende Tromp l’oil-Manier auf, die sie wie real gegenwärtig erscheinen lassen, sondern zeigen in der gestischen Wischstruktur der Farben weitere Anleihen aus der Kunstgeschichte auf, die – wie hier -  an die fränzösischen  Affichisten erinnern lassen. Diese hatten in Frankreich in den 1960er Jahren begonnen, Plakatwände zu adaptieren und deren Zufallsspuren, ihre Überklebungen und zerrissenen Oberflächen als malerische Struktur anzuerkennen und ähnlich wie die Ready-Mades von Marcel Duchamps in die Kunst einzuführen. Wichtige Protagonisten waren Mimmo Rotella und Villeglé. (vergleiche die Serie Comic-History, 2016) Anders als Heiner Meyer benutzen diese jedoch die realen, sorgfältig abmontierten Plakatwände, die sie eigens weiter bearbeiten. Im malerischen Duktus seiner Werke bleibt Heiner Meyer sich jedoch auch hier vollkommen treu, jedoch weniger ironisierend als in den anderen Zitier- und Komponierarbeiten.

Im vergangenen Jahr wie auch schon zu Beginn dieses Jahres wendet er sich erneut den Ikonen der Werbung zu und adaptiert Bildstrategien berühmter Meister. Diese legt er malend offen und schafft es, sie sowohl innerbildlich zu verschmelzen als auch als ersichtliches Zitat zu benennen. Hierzu zählen Werke, die sich rückversichern an Ingres (Hommage a Ingres), Picasso (Balcony with Ocean view) oder Tom Wesselmann (Hommage a Wesselmann und Colour). Wie nahtlos ihm dies gelingt, mag Hommage a Ingres besonders deutlich vorführen: Hier zitiert er „Mademoiselle Caroline Rivière“, von 1806, die in ihrem fantastischen weißen Pelz Model gestanden hat und zur Ikone der Portraitmalerei des frühen 19. Jahrhunderts wurde. Der offenkundig französische Empirestil des frühen19. Jahrhunderts fügt sich beinahe überganglos in die Gegenwart und verbrämt das Zitat. Nur der Kenner wird diese Adaptionen und Integration in den neuen –banalisierten – Bildkontext verstehen. Heiner Meyer modifiziert das gesamte Setting, verändert auch die Physiognomie der jungen Damen und gleicht sie an aktuelle, lasziv sich gebende Models an, deren gegenwärtige Präsenz deutlich glaubhafter erscheint. Einzig das weiße Kleid und die Pelzstola dienen als Referenz zum Ingres-Vorbild. Dem landschaftlich subtilen Hintergrund des Altmeisters entspricht nun ein poppig bunter Fond, der mehr an fast psychedelische Mustertapeten erinnert als an irgendetwas Anderes.

Heiner Meyer vermag es, jedem Bild ein Dickicht an neuen Reflexionsflächen zuzufügen und den Betrachtenden seiner Bilder herauszufordern, sich dieser Projektionen anzunehmen. Dem Altmeisterlichen gesellt er munter eine eigene Ikonographie aus der Werbung hinzu, die sich – gleichsam rückversichernd - ihrerseits der klassischen Malereigeschichte bedient, Stile munter miteinander verbindet und vermischt. Deshalb treffen nun in den Kompositionen bei Heiner Meyer Zitate aus der Kunst des 19. Jahrhunderts auf jene aus der Pop-Art (à la Robert Rauschenberg) ebenso wie aus der Werbung moderner Luxuslaibles (Louis Vuitton, Montblanc, Chanel, Gucci etc.). Zitate aus der Kunstgeschichte paaren sich mit denen der zu Ikonen der Luxusgesellschaft stilisierten Konsumgüter und werden – meistens mit einem Augenzwinkern – der kanonisierten Geschichte der Malerei gleichgesetzt. Dass, was gesellschaftlich anerkannt und Wert geschätzt wird, trifft nun auch für die Industrie des Konsums und des schönen Scheins zu. Die Traumblasen der Hollywood-Filmwelten werden gleichgeschaltet mit den oftmals surreal schönen Werbeprojektionen. Heiner Meyer bedient diese Traum- und Wunderwelten, er steigert sie in ihrer irrealen Schönheit bis ins Absurde. Genau diese absurde Tautologie des unablässig Schönen und oftmals unerreichbaren Luxus, verkörpert durch atemberaubend artifiziell schönen Models, bricht sich in Momenten der Ironie, die jegliche Glaubhaftigkeit des Bildnarrativs zunichtemacht. Er versteht es, Erzählstrukturen in seine Kompositionen einzuflechten, Kontexte anzudeuten und sie dabei in ihrer Brüchigkeit auf die Spitze treiben (z.B. „It’s not a tiger“, 2016 oder „Betty meets Bond“, 2015). Malend schreibt er das Skript zur Geschichte, ironisiert jegliche Ernsthaftigkeit und überlässt es sehr bald schon dem Betrachtenden, die Story in der eigenen Imagination zu Ende zu spielen. Wenn auf dem nachmodellierten Chanel-Flacon nun „Change“ steht, denkt jeder simultan das ursprüngliche Firmenlogo mit. „Change“ bezieht sich bei ihm auf den unablässigen Perspektivwechel, den seine Werke immanent implizieren und vor keinerlei Kategorisierung Halt machen. Gerade weil der Wechsel so schlicht, zwingend und überraschend geschieht, erzeugt er unweigerlich das größte Vergnügen auf der Seite derer, die sich seiner Werke betrachtend widmen.

In seinen aktuellen Arbeiten treibt Heiner Meyer die optische Vielschichtigkeit seiner Lesarten, das Eincollagieren von immer weiteren Verweisen auf Neues, weiter auf die Spitze. Keine der Bildebenen bleibt für sich allein, sondern wie bei den französischen Affichistes der 1960er Jahre fügt sich Lage über Lage und trägt dazu bei, Eindeutigkeit und Bezugsgrößen des jeweiligen Bildes zwar aufpoppen, letztlich diese aber auch unverbindlich offen zu lassen. Es ergibt sich ein gekonntes Spiel aus Zitaten und Lesemustern, die ebenso eingängig wie banal sind. Diese Banalität jedoch wird hier zelebriert wie sonst selten, weil sie die Lust am Luxus, die heiße Gier auf das perfekte Luxusobjekt, noch weiter herauszukitzeln und zu bedienen sucht. In “Cordial” (2020) wird dies überdeutlich: Wie von einer Werbetafel aus den 1950er Jahren prangt der Titel als Leuchtreklame hoch über einer Landschaft, die sich jedoch bei genauerem Hinsehen ablöst von der unteren Bildhälfte, auf der ihrerseits ein offen konzipiertes Gebäude mit Pool sichtbar wird. Es repräsentiert die klassische Architektur der 1960er Jahre im Süden Amerikas, wo Beach und Pool den Lebensrhytmus prägen. Große Fensterscheiben und Spiegelungen lassen es geradezu unmöglich erscheinen, das Haus gegen die Landschaft im Hintergrund exakt abzugrenzen. Wie in einer anderen Bildebene schweben zudem drei Kugeln durch die Luft, die ihrerseits die Umgebung spiegelnd in sich aufnehmen. Die Ununterscheidbarkeit der Bildebenen und dazu die verschiedensten Realitätsebenen (von realem und bloß gespiegeltem) befinden sich offenkundig in einem permanenten Prozess des Überschreibens und Changierens. Nichts bleibt wie es ist, vielmehr scheint die einzige Konstante genau jenes Momentum zu sein, in dem sich ununterscheidbar die Wirklichkeit mit der Illusion begegnen. Der kurze Augenblick dieser Synchronizität ist es, der in den aktuellen Gemälden noch einmal eine weitere Dimension des Reflexiven hinzufügt und die selbst dann deutlich wird, wenn das vermeintlich glatt-Polierte so überaus dominant das Bild überstrahlt. Bei aller Buntheit und der Fabulierlust, sich der Kunstgeschichte genüsslich zu bedienen, dabei die Zitate wie klingende Glaskugeln aufpoppen zu lassen, denen der Betrachtende lustvoll nachzukommen sucht, ist doch zugleich die Absurdität der vermeintlichen Realität schon im Ansatz des Versuchs zu erkennen, denn es bleibt unmöglich, die reale Welt in einer eindimensionale Perspektive wahrzunehmen. Darunter mischt sich das Gefühl von Vergeblichkeit als eigene Konstante in die Bildtiefe. Die äußere Lust am Fabulieren, am Genuss der Welt der Objekte wie auch der Begierden, die sie in permanenter Reizüberflutung abverlangt, all dies erweist sich als Scheinwelt. Dahinter lauert eine tönerne Welt, die als Abziehbilder nur momenthaft existiert - der schöne Schein als Echo unserer Sehnsüchte, die sich ihrerseits als nicht substanziell erweisen. Chanel - oder Change? Das Spannende an Heiner Meyers Werken ist eben genau diese Zweideutigkeit, die jedoch in letzter Konsequenz nicht das goldene Kalb der Luxusgesellschaft anbetet, sondern dieses als schal gewordene Projektionsfläche aus längst vergangenen Tagen noch einmal zelebriert und als tempi passati überführt.

 

Heiner Meyer—Quote-Happy

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